Albrecht Classen (Tucson, Arizona) p.15-40
2022 Issue 02
Abstract
Manchmal erweisen sich unerwartete Texte aus früheren Epochen als durchaus nützlich für den Einsatz in einem fortgeschrittenen Seminar zur deutschen Literaturgeschichte. Hier werden die Epigramme des berühmten Barockdichters Johann Scheffler, besser bekannt als Angelus Silesius, erneut eingeführt und global darauf hin untersucht, welchen Wert sie als Material im Literaturunterricht besitzen könnten. Dies rechtfertigt sich sogleich daher, dass sie relative schlicht gestaltet sind und doch eine tiefschürfende Sprache einsetzen, um relevante Aussagen zu formulieren, auf die auch wir heute achten sollten. Diese Epigramme sind durchaus leicht verständlich auch für fortgeschrittene Deutschlernende, jedenfalls auf sprachlicher Ebene. Der Inhalt beweist sich hingegen oftmals als rätselhaft, mystisch und zutiefst philosophisch, d.h. als produktiv-herausfordernd. Obwohl diese Text im späten 17. Jahrhundert von einem tiefgläubigen Katholiken publiziert wurden, erweisen sie sich als erstaunlich zeitlos-einsichtsvoll, provokativ und spirituell, frei von orthodoxen Gedankengängen, und sie können somit inspirierend und motivierend in unseren Literaturkursen eingesetzt werden, weil sie von sich aus aktuell und relevant geblieben sind.
Sometimes, unexpected texts from older periods prove to be rather useful in advanced German literature and culture classes. Here, the famous epigrams by the Baroque poet Johann Scheffler, better known as Angelus Silesius, are introduced and examined globally as valuable literary teaching material both because of their relatively simple and yet sophisticated language and especially because of their relevant messages that continue to be worth listening to, even today. These epigrams are fairly easy to understand by students of German at first sight, at least in terms of their language. The content, however, often proves to be quite enigmatic, mystical, and profoundly philosophical, hence productively challenging. Although having been published in the late seventeenth century by a deeply devout Catholic poet, they emerge as surprisingly insightful, provocative, and spiritual statements far removed from any orthodox perspectives and thus can serve refreshingly well even in our contemporary literature (philosophy, religion) classes.