„Körperliche Stärke und Behendigkeit zu ehren” oder Olympia in Berlin: Der deutsche Idealismus, die Sportwettkämpfe im antiken Griechenland und das moderne Deutschland.

Felix Saure (Marburg) p.7-27

2007 Issue 2

Abstract

Einer der prominentesten Vertreter der deutschen Griechenbegeisterung um 1800 ist Wilhelm von Humboldt. Sein Bild vom antiken Hellas ist nicht das Ergebnis eines empirisch-analytischen Umgangs mit der Geschichte und der Kunst des alten Griechenland, sondern ein idealistisches Konzept mit weitreichenden kulturkritischen, ästhetischen und auch politischen Ansprüchen. In diesem Aufsatz wird ein exemplarischer Aspekt seiner Antikerezeption analysiert, die Rolle der Körperkultur und der panhellenischen Spiele (Agones) in Griechenland. Im Vergleich mit einigen Ansätzen Schillers, Herders und Winckelmanns zeigt sich, dass Humboldts Denken über das klassische Altertum zeittypisch ist. Aus seiner idealistischen Perspektive manifestiert sich in der hohen Achtung, die die Griechen einer ganzheitlichen und damit auch körperlichen Bildung des Einzelnen erwiesen, ihre unbedingte Vorbildhaftigkeit. Außerdem werden die gesamtgriechischen Wettkämpfe als Ausdruck einer Nation gesehen, die sich als kulturelle Einheit und nicht als politisches System definiert. Dieser Aspekt des Griechenideals diente im 19. Jahrhundert der nationalkulturellen Identitätsformierung der Deutschen, die sich als Kulturnation dem alten Hellas verwandt fühlten. Für die Deutschen sollten deshalb moderne Agones eine staatenübergreifende gemeinschaftsstiftende Rolle spielen. Insgesamt bilden in der idealistischen Wahrnehmung um 1800 Körperkultur und Wettkämpfe der Griechen in konzentrierter Form das überzeitliche Ideal einer harmonischen Menschenexistenz ab; Sport und Körper werden in diesem Denken ästhetisch und politisch aufgeladen.