Werbung in Jugendzeitschriften: Einübung in Geschlechterdifferenzen?

Martha Wörsching (Loughborough) p.85-112

2002 Issue 2

Abstract

In diesem Aufsatz werden die werblichen Darstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit in einer Reihe von typischen deutschen Jugendzeitschriften im interdisziplinären Kontext der kritischen Geschlechterforschung untersucht. 
Die Werbung ist eine besonders einfallsreiche, sinnlich anschauliche Form der heutigen Populärkultur; sie möchte durch Darstellungen der Sexualität, aber auch gerade der gesellschaftlich konstruierten Geschlechtlichkeit die Aufmerksamkeit der verschiedenen Zielgruppen erreichen: Werbung muss ihre Appelle äusserst knapp und kondensiert konstruieren, um blitzschnell verstanden zu werden, und zu diesem Zweck verwendet sie Zeichen und Bedeutungskontexte, die von der jeweiligen Zielgruppe und oft von der ganzen Gesellschaft als höchst relevant, “richtig” – aber auch “kontrovers” oder “avangardistisch” – gesehen werden. 
Die herrschende Geschlechterordnung wird gerade in einer Zeit des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandels als ein besonders wichtiges Thema in der Werbung angesprochen und bearbeitet. Wenn hier die Geschlechterdarstellungen in Jugendzeitschriften untersucht werden, dann sollen gerade Anzeichen eines Wandels im herrschenden Geschlechterarrangement verfolgt werden. Jugend ist eine Lebensphase, in der die Individuen zwischen Familie und Gesellschaft in einem dynamischen Prozess eine eigene soziale Identität erlangen sollen; die herrschenden gesellschaftlichen Werte werden dabei sowohl in Frage gestellt also auch übernommen, und dies zeigt sich auch in den verschiedenen Manifestationen der Jugendkultur. 
Die Werbung sieht Jugendliche als eine wichtige und attraktive Zielgruppe, die wegen ihrer augenblicklichen und zukünftigen Kaufkraft von den Werbetreibenden besonders geschätzt ist. Darüberhinaus gelten – in einer Zeit, in der “Jugendlichkeit” und “Leistungsfähigkeit” zu allgemeinen Idealen geworden sind – die jugendlichen Zielgruppen auch als “Meinungsführer” für ältere Konsumenten. Die Werbetreibenden gründen ihre Werbeaktionen auf Marktforschung, die die jeweiligen Lebensentwürfe der männlichen und weiblichen Jugendlichen in Rechnung stellen. Es soll hier untersucht werden, inwiefern die werblichen Inszenierungen von Weiblichkeit/Männlichkeit eine “Modernisierung” der Geschlechterordnung darstellen.