Blažena Radas (Split) p.26-39
2014 Issue 3
Sondernummer zum Thema: “Späte Trümmerfilme und ‚Neotrümmerfilm‘: Wiederkehrende Traditionen des Weimarer Kinos und der Romantik als Metaphern der Nachkriegskrise”
Gastherausgeberin: Martina Moeller (Rabat)
Abstract
Der Verlorene (1951), der einzige Film, in dem Peter Lorre Regie geführt hat, und der Lorres gescheiterten Versuch markiert, an seine frühen Erfolge in Deutschland anzuknüpfen, soll in diesem Aufsatz unter zweierlei Gesichtspunkten analysiert werden: Zum einen bietet es sich an, die Genrekonventionen und die daran gekoppelten Erwartungen des Zuschauers genauer zu betrachten. Der Verlorene weist stilistisch Züge des expressionistischen Films auf und Wesensmerkmale des Film Noir, der vom Weimarer Film inspiriert und von europäischen Filmemachern aufgewertet wurde. Zum anderen soll die Erzählstrategie in Der Verloreneuntersucht werden. Zwar basiert die Geschichte auf einer wahren Begebenheit – Lorre fand nach einem nicht verwirklichten Projekt über Kaspar Hauser einen Zeitungsartikel über einen Lagerarzt, der Selbstmord begangen hatte – doch in der filmischen Umsetzung halten weder Verrat noch Eifersucht als Handlungsmotive für das mehrfache Morden der Figur des Dr. Neumeister stand. Der Verlorene weist demnach stilistische Merkmale des Film Noir auf, in der Kontrastbildung, den Schattenwürfen, dem Voice-Over und anderen filmsprachlichen Mitteln, aber die Figur des getriebenen, schweigenden Arztes sperrt sich den Genre- und Erzählkonventionen. An dieser Stelle soll anhand von Siegfried Kracauers psychologischer Filmgeschichtsschreibung Von Caligari zu Hitler ein Deutungsversuch des Dr. Neumeister unternommen werden. Kracauer begreift den Film als “Medium, das Gesellschaftliches in wechselnden Graden der Bewusstheit bzw. Blindheit widerspiegelt” und sieht in Fritz Langs M Eine Stadt sucht einen Mörder den von Lorre gespielten Mörder als modernisierten Cesare, der sich dem imaginären Caligari selbst unterwirft. Dr. Neumeister soll hier als Weiterentwicklung von Cesare und M gedacht und die unbewussten Strukturen des Verlorenen im Sinne Krakauers analysiert werden.